John Ulrich Giessendanner -
The European Phase
I has become clear that this examination was done on request of HUG himself |
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Giezendanner:
Verhörprotokoll |
Giezendanner: Protocol of examination |
Anmerkungen zu nachfolgender
Schreibweise (Edith Maienfish) …
= nicht lesbar
(auf der Rückseite des Originals meist deshalb, weil die losen Seiten in
ein Buch eingebunden wurden und diese Worte zu nah am Blattrand stehen Wort = bei unterstrichenen Worten
oder Buchstaben ist nicht sicher, ob diese richtig entziffert sind [Text] = von mir eingefügte Worte,
Erklärungen, Anmerkungen -
Wofür stehen wohl die oft vorkommenden „p“ und „p p“? Vielleicht für Pausen? -Zu jeder Frage und zu jeder Antwort habe
ich unmittelbar danach eine „Übersetzung“ in heutiges Deutsch
angefügt. |
Explanation on notation …
= illegitable, mostly caused by bended
pages (no good copies possible) Word = uncertain transcript
P = probably Pause
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Quelle: StAZ E II 56: Verhörprotokoll S.127 - 128 |
Source: StAZ E II 56: Verhörprotokoll S.127 – 128 (Zürich) |
This text was provided and
explained in German by Edit Maienfish of Zürich
and translated into English by Joop Giesendanner | |
Examen |
Examination
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[Examinatoren]
Welches die ursachen seien, dass er mit H Decan … sich also abgeworfen, und entlich in disen Band der
Verbannisierung gerathen? |
Examiners:
What could have been the reason that he (HUG) made an enemie in Mr Decan ... and finally was banned? |
Welches die Ursachen seien, dass er sich mit Herrn Dekan …
überworfen [verfeindet] habe und schliesslich in die Verbannung geraten
sei? | |
[Giezendanner]
Die erste ursach seie
gewesen einer Nachtmahlspredig H Decani, da der gesagt, alle seien bereitet, sollen
kommen p worüber er schwere gedanken und anfechtungen erlitten, in dem er in forchten gestanden, seie
nit gerüstet iste unwürdig p alst dass er keinen hunger und begird in sich
gespürt, derhalben auch am ersten tag, dem feststag der letzten h. Wienacht, nit communiciert, sonder
montags drauf, und zwar zu Wattweil, um viler ursachen, sonderlich
schwerer gedanken willen. p und weil zu Liechtensteg nur einmahl
communiciert wird. |
[Giezendanner]
The first reason was an Eveningmeal sermon by Mr Decan, who said that
everybody who was ready should come. This had led to doubt and resistance
with him (HUG) for he was not hungry and eager enough. He failed to come
to the first celebration day and went next Sunday, but went to Wattwil, for many reasons, because in Lichtensteig there was just one
possiblity to go. |
Die erste Ursache sei die Abendmahlspredigt des Herrn Dekan gewesen, als
dieser gesagt habe, alle seien bereit [oder vorbereitet], sollen kommen,
worüber er sich schwere Gedanken gemacht habe und in Zweifel geraten sei,
indem er befürchtet habe, er sei nicht gerüstet [bereit], sei unwürdig,
weil er keinen Hunger und keine Begierde in sich gespürt habe, deshalb
habe er auch am ersten Tag, dem Festtag der letzten heiligen Weihnacht,
nicht kommuniziert, sondern montags darauf, und zwar in Wattwil, wegen vielen Ursachen, insbesondere wegen
schwerer Gedanken [Bedenken]. P Und weil in Liechtensteig nur einmal kommuniziert wird. | |
[Examinatoren]
H
Decan werde also in die gedanken gerathen, er fliehe
und haste ihn. |
[Examiners] |
[Der]
Herr Dekan werde also [deshalb] in die Gedanken geraten [sein], er
[Giezendanner] fliehe [meide] und hasse ihn. | |
[Giezendanner]
H
Decan habe ihm damahls
nichts verwisen, aber Diacon daselbst habe es ihm untersagt, und ihn
getröstet, er habe ja in sich empfunden einen hunger nach dem hunger, oder
traurigkeit, weil er keinen hunger nach dieser heiligen speis empfinde. Erst einer
zeit hernach beschicht ihn H Decan verweist es
ihm und fragt um die ursachen; worauf er in
antwort erteilt, entdekende seiner schwere gedanken, habe es gethan
ohne böse passion; H Decan excipiert, andere seien auch gegangen zu
des H tisch. Seien phantaseien, pietitereien,
quakereien, enthusiastereien. p werde auch bei haus die nachtmahls gebetter gelesen
haben. Antwort: finde sei nothwendig eine geflissene prob seiner selbst. Sei nit genug dass nachtmahlbüchli auslesen p auf andere könn er nit sehen, müste seinem eigenen zustand einsehen p p wüste nichts von phantaseien p p H Decan fragte, ob man die gebott Gottes volkommenlich
halten könne? er gabe zur antwort, der mensch könne nichts, Christus für alles guts, was von uns geschihet
p es sei nun um das h Abendmahl zuthun p H Decan tochter sagte, sei ein
erzquaker, …, lotterbub, ob H Decan nit Gottes wort predigte? p
Antw. er sei auch in zorn gerathen, sagende, was citationen aus h. Schrift, seien Gottes wort, alles andere müsse man, nach Gottes wort halten p p. Also
brachte es H Decan für die oberkeit p p
|
[Giezendanner]
Mr
Decan did not hold anything against him, but
Diacon himself has reprimanded him, and comforted him, he found it in
himself to have a hunger for hunger, or sadness, for he found no hunger
for this holy food. It takes a while for Mr
Decan to reprimand him and to ask him for the
reasons; he gives him in answer that he has troublesome thoughts but did
it without bold passion [without meaning wrong]; Mr Decan tells him others
did come to the Eveningmeal. These [thoughts]
are phantasies, pietistic stuff, quakeries, over enthousiasm.
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[Der] Herr Dekan habe ihn damals nicht verwiesen, aber der Diakon dort
habe es ihm untersagt und ihn getröstet, er habe ja in sich einen Hunger
nach dem Hunger empfunden, oder Traurigkeit, weil er keinen Hunger nach
dieser heiligen Speise [nach dem Abendmahl] empfinde. Erst einige Zeit
später [beschicht = bestellt?] ihn [der] Herr Dekan, verweist ihn und
fragt nach den Ursachen, worauf er ihm Antwort erteilt, entdeckt [verrät]
[ihm] seine schweren Gedanken [Bedenken], habe es getan ohne böse Passion
[Absicht, Neigung]; [der] Herr Dekan exzipiert
[nimmt aus, stellt als Ausnahme hin], andere seien auch zum Abendmahl
gegangen. [Das] seien Phantasien [Phantastereien],
Pietitereien [etwa: pietistisches Getue],
Quakereien [ist hier ein Bezug zu den Quäkern gemeint?],
Enthusiasmus. P [Er] werde auch zu Hause die Nachtmahlsgebete gelesen
haben. Antwort: [Er] finde, [es] sei eine aufmerksame Probe seiner selbst
notwendig. Es genüge nicht, das Abendmahlbüchlein zu lesen, auf andere
könne er nicht achten, müsste auf seinen eigenen Zustand [sich selbst]
achten P P wüsste nichts von Phantasien
[Phantastereien] P P [der] Herr Dekan fragte, ob man die Gebote Gottes
vollkommen einhalten könne [ob der Mensch dazu fähig sei, alle Gebote
Gottes einzuhalten]? Er gab zur Antwort, der Mensch könne nichts, Christus
stehe hinter allem Guten, was wir machten P es gehe nun um das heilige
Abendmahl [es sei nun auf das heilige Abendmahl zu achten] P [des] Herrn
Dekan Tochter sagte, [er] sei ein Erzquaker,
…, Lotterbub [Taugenichts], ob [der] Herr Dekan nicht Gottes Wort
predige? P Antwortet, er sei auch in Zorn geraten, sagte, die Zitationen [Zitate] aus der heiligen Schrift seien
Gottes Wort, alles andere müsse man nach Gottes Wort richten [oder
vielleicht: alles andere komme nach Gottes Wort] P P. Also brachte es [der] Herr Dekan vor die Obrigkeit
P P | |
[Examinatoren]
Ob H Decan anlaas
bekommen zu den gedanken über ihn etwas aus
verdächtigen büchern, so er bei ihm gesehen |
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Ob der Herr Dekan Anlass gehabt habe zu den Gedanken [Befürchtungen] über
ihn wegen verdächtiger Bücher, die er beim ihm gesehen [habe] | |
[Giezendanner]
Habe keine bücher gelesen als die h. bibel, Dieterici
innwendiger mensch p Arndts
wahres Christenthum p |
|
Habe keine Bücher gelesen ausser die heilige Bibel, Dietericis Innwendiger Mensch P
Arndts Wahres Christentum P | |
[Examinatoren]
Wie lang und wo er sich an der fremde aufgehalten? |
[Examiners]
How long and where did he stay abroad? |
Wie lange und wo er sich im Ausland aufgehalten habe? | |
[Giezendanner]
Sie draussen gewesen nit gar 5. jahr, und zwar in hall 3-4 wuchen, habe im Weisenhaus H franken und andere, besonders den H Schlossprediger
gehört predigen, in berlin 23. wuchen gebliben p sei ohngefahr 2. jahr wider zu
haus.
P |
[Giezendanner] |
[Er] sei nicht ganz 5 Jahre im Ausland gewesen, und zwar in Halle 3-4
Wochen, habe im Waisenhaus Herrn Franken und andere, insbesondere den
Herrn Schlossprediger predigen gehört, [sei] in Berlin 23 Wochen geblieben
P sei seit ungefähr 2 Jahren wieder zuhause. P | |
[Examinatoren]
Wan
ihm vorgeworfen worden, dass er zusammenkonften
halte, die h. Schrift erklehre, andere ins haus
zu sich berufe. |
[Examiners] |
Wann [sei] ihm vorgeworfen worden, dass er Zusammenkünfte halte, die
heilige Schrift erkläre [auslege], andere zu sich ins Haus berufe. | |
[Giezendanner]
Erst vor Landgricht, zuvor murmmelte man, er gefiele dem H Decan nit; fundament diese gemürmels
seie, das da er vor 2. jahren heimgekommen, habe, er auf anhalten hin, seiner
Muter brüdern und verwandte heimgesucht zu kappel auf der Lez, die
verwandten, villeicht nit 12. persohnen ohne die
ein wohner des hauses,
seien kommen, unberufen, ihn zubewillkommen;
erzehlte er seine reiss, di vilen gutthaten Gottes, so
er ihm bewisen; schlug auf, petr. 2:9. … seit das auserwehlte geschlecht - -
die tudenden dessen, … eüch p p , sagte, wie
dises die grösste ohr und glückseligkeit, seie über
alle … hofleben und zeitliche
glückseligkeit, die er an höfen gesehen, und da … walten von einandren gehen, haben sie mit ein andren ein gebett verichtet, das sei
das einzig mahl geschehen als sie ihn bewillkommeten, andere mahl gar niemahl … |
[Giezendanner] |
Erst vor dem Landgericht, zuvor murmelte [munkelte] man, er gefiele dem
Herrn Dekan nicht; Fundament[Ursache] dieses Gemurmels [Gemunkels,
Gerüchts] sei, dass als er vor 2 Jahren heimgekommen, habe er auf Anhalten
[Ansuchen] hin die Brüder und Verwandten seiner Mutter besucht in Kappel
auf der Lez, die Verwandten, vielleicht nicht 12
Personen [knapp 12 Personen] ohne die Einwohner des Hauses, seien
gekommen, unberufen [unaufgefordert], ihn zu Bewillkommnen [begrüssen]; er
erzählte [von] seiner Reise, [von] den vielen Guttaten Gottes, die er ihm
bewiesen [hatte]; schlug Petr. 2:9 auf … seit das auserwählte
Geschlecht - - die tun das, … euch P P,
sagte, wie dieses die grösse Ohr
und Glückseligkeit, [es] sei über alle … Hofleben und zeitliche
Glückseligkeit, die er an Höfen gesehen [habe], und da … walten
voneinander gehen, haben sie miteinander ein Gebet verrichtet, das sei das
einzige Mal geschehen, als sie ihn Bewillkommnet [hätten], andere Male
überhaupt nicht … | |
[Examinatoren]
Ob er meine, kraft dises orths petri, müsse ein ieder
Christ die h. Schrift ofentlich in versamlungen erklehren p? |
[Examiners] |
Ob er meine, Kraft dieses Ortes Petri müsse ein jeder Christ die heilige
Schrift öffentlich in Versammlungen erklären [auslegen] P? | |
[Giezendanner]
Nein, mein er nit dass es erlaubt seie, wol aber die selbige
erforschen für sich p |
[Giezendanner] |
Nein, er meine nicht, dass es erlaubt sei, wohl aber dieselbige für sich
zu erforschen P | |
[Examinatoren]
Was er halte von dem lehramt, welches in den versamlungen verwi… werden solle, ob es von
Christo allen glaübigen oder nur besonderen
persohnen anbefohlen worden
seie? |
[Examiners] |
Was er von dem Lehramt halte, welches in den Versammlungen … werden
solle, ob es von Christus allen gläubigen oder nur besonderen Personen
anbefohlen worden sei? | |
[Giezendanner] Es
gebüre ofentlich
niemand, als denen die darzu berufen
sind. P |
[Giezendanner] |
Es gebühre öffentlich niemandem als denen, die darzu berufen sind. P | |
[Examinatoren]
Was er halte, von der absünderung, und fundament derselben, da man meint, man musse sich absündern von
denen, die nit so heilig sind, als die so sich
trennen; und nur suchen solche, die gleichen geist empfanget, und gleichen sinn und kenzeichen an sich haben? |
[Examiners] |
Was er von der Absonderung halte, und [vom] Fundament [dem Ausgangspunkt]
derselben, wonach man meint, man müsse sich absondern von denen, die nicht
so heilig sind wie, die sich trennen [absondern]; und nur solle suchen
[man solle nur Kontakt zu solchen haben], die gleichen Geist empfangen
haben [die der gleichen Glaubensgemeinschaft angehören], und gleichen Sinn
und Kennzeichen an sich haben [die die gleiche Auffassung vertreten]? | |
[Giezendanner]
Solche haben nit die gemeine liebe 2 petr. 1. Man muss sich laut der h. Schrift von den
andern glidern der kirchen nit anderst absönderen als von
ihrem bösen leben und wandel durch ein
gottseliges leben, und sein liecht leüchten lassen p p |
[Giezendanner] |
Solche haben nicht die allgemeine Liebe 2 Petr. 1. Man muss sich laut der
heiligen Schrift von den anderen Gliedern der Kirche nicht anders
absondern als von ihrem bösen Leben und Wandel durch ein gottseliges
Leben, uns sein Licht leuchten lassen P P | |
[Examinatoren]
Was er halte für seine einzige und wahre richtschnur
seines glaubens und lebens? |
[Examiners] |
Was halte er für seine einzige und wahre Richtschnur seines Glaubens und
Lebens? | |
[Giezendanner]
Die h. göttliche Schrift ist es einzig und allein. |
[Giezendanner] |
Die heilige göttliche Schrift ist die einzige und allein. | |
[Examinatoren]
Sie ist es villeicht nur für die anfenger, die so weiter ge… haben villeicht
auch darneben erleüchtungen, so unmittelbar
ihm von Gott durch gesichter, Engel,
träüme etc. gegeben und vil herlichere sachen geofenbarrt worden,
als durch die h. Schrift? |
[Examiners] |
Sie ist es vielleicht nur für die Anfänger, die so weiter … haben
vielleicht auch daneben Erleuchtungen, die ihm unmittelbar von Gott
durch Gesichter [Visionen], Engel, Träume etc. gegeben und viel
herrlichere Sachen offenbart worden [sind], als durch die heilige Schrift? | |
[Giezendanner]
Solche, die dises fürgeben,
sind von denen in 23, Cap. Jeremias stehet, die eigen gsicht und gutdunken
des herzes, witele träüme sagen p |
[Giezendanner] |
Solche, die dies vorgeben, sind wie jene, über die in 23, Kap. Jeremias
steht, dass sie eigene Gesichter [Visionen] und Gutdünken des Herzens,
… Träume erzählen P | |
[Examinatoren]
Dises
sind phantaseien p von sonderbaren eingebungen, sagt er, wüste er gar nichts, und halte
gar nichts darvon. p p |
[Examiners] |
Das sind Phantasien [Phantastereien] P von sonderbaren Eingebungen, sagt
er, wüsste er gar nichts, und halte gar nicht davon. P P | |
[Examinatoren]
Was er halte von der volkommen haltung des gesazes, ein…
heit dem gebott der liebe, ob es gänzlich könne gehalten
werden? |
[Examiners] |
Was halte er von der vollkommenen Haltung des Gesetzes, … dem Gebot der
Liebe, ob es gänzlich eingehalten werden könne? | |
[Giezendanner]
Die h. Schrift rede von der vollkommenheit Matth. 5 seist vollkommen
… Petr. 1. seit heilig p aber er finde bei sich ir mehr erleüchtung Gott
ihme schenke, ir mehr
sehe er seine unvovolkommenheit, sein nichts,
wie so vil sundliche thaten, bigirden, gedanken habe. |
[Giezendanner]
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Die heilige Schrift rede von der Vollkommenheit Matth. 5 seist vollkommen
… Petr. 1. seit heilig P aber er finde bei sich, je mehr
Erleuchtung Gott ihm schenke, je mehr sehe er seine Unvollkommenheit, sein
Nichts, wie [er] so viele sündige Taten, Begirden, Gedanken habe. | |
[Examinatoren]
Villeicht
können andere volkomen werden? |
[Examiners] |
Vielleicht können andere vollkommen werden? | |
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Here ends the examination for the time being. I hope to receive some more later in time. |
Apparently his explanations
satisfied the government, because there is no record of his being
punished. However, the provisions under which he was allowed to go free
offer substantial clue to the nature of Giezendanner's
preaching. He had to agree that only regularly called men should preach,
that a "reborn" person should not consider himself better that other
church members, and that direct illumination in dreams and instruction by
angels were fantasies. This last, and somewhat surprising, element becomes
the key to
Giezendanner's next stage of development. |